Das Wichtigste in Kürze
Verschiedene Aufgaben des Bundes sind aus der zentralen Bundesverwaltung ausgelagert und werden von rechtlich selbständigen Unternehmen und Anstalten des Bundes wahrgenommen. Der Bundesrat hat im Jahr 2006 mit dem «Corporate Governance-Bericht» gemeinsame Grundsätze für die Steuerung dieser Organisationen und einheitliche Kriterien für die Beurteilung der Auslagerung von Bundesaufgaben geschaffen. Im Kern beantwortet der Bericht drei für die Eignerpolitik des Bundes zentrale Fragen:
- Welche Aufgaben eignen sich für eine ausgelagerte Erfüllung? (Aufgabentypologie)
- Wie sollen die mit der Erfüllung solcher Aufgaben betrauten Organisationen rechtlich verfasst und gesteuert werden? (Leitsätze und Steuerungsmodell)
- Wie soll sich der Bund bei der Wahrnehmung seiner Eignerinteressen intern organisieren? (Rollenteilung)
In der Folge des Corporate Governance-Berichts wurde die Eignerpolitik konsequent weiterentwickelt. Zunächst beantwortete der Bundesrat mit einem Zusatzbericht (März 2009) verschiedene Fragen, die das Parlament bei der Beratung des Grundlagenberichts von 2006 gestellt hatte und ergänzte die Leitsätze. Gleichzeitig verabschiedete er eine Umsetzungsplanung, die aufzeigt, wie er den CG-Bericht in die Praxis umsetzen will. Schliesslich haben die Eidgenössischen Räte im Dezember 2010 der parlamentarischen Initiative über das «Instrumentarium zu den strategischen Zielen der verselbständigten Einheiten» stattgegeben und ein Gesetz zur Regelung der parlamentarischen Oberaufsicht verabschiedet.
1 Aufgabentypologie
Auslagerungen wurden früher ohne systematische Entscheidungshilfen beschlossen. Anhand einer Aufgabentypologie, die der CG-Bericht in einem ersten Teil entwickelt, können neu alle Bundesaufgaben auf ihre Auslagerungseignung überprüft werden. Gestützt auf fünf Eignungskriterien (Hoheitlichkeit, Intensität der politischen Steuerung, Marktfähigkeit, Bedarf an verwaltungsinterner Koordination, Bedarf an Visibilität und Autonomie) werden vier Aufgabentypen mit unterschiedlicher Auslagerungseignung festgelegt:
- Die Ministerialaufgaben umfassen namentlich die Politikvorbereitung sowie hoheitliche Aufgaben, deren Erfüllung zumeist mit Eingriffen in die Grundrechte verbunden ist (z.B. Sicherheit, Justiz). Sie erfordern daher in hohem Mass demokratische Legitimation und politische Steuerung; ausgeprägt ist auch der Koordinationsbedarf mit anderen Aufgaben der zentralen Bundesverwaltung. Ministerialaufgaben eignen sich daher nicht zur Auslagerung.
- Zu den Dienstleistungen mit Monopolcharakter zählen zum einen Leistungen in den Bereichen Bildung, Forschung und Kultur. Diese Aufgaben sind marktnah und könnten grundsätzlich auch privat erbracht werden; da aber teilweise Marktversagen vorliegt (vom Markt nicht abgegoltene Leistungen, die zu einer Unterversorgung führen) sowie aus historischen und sozialpolitischen Gründen werden sie oft von der öffentlichen Hand in monopolistischem Rahmen erbracht. Zum andern sind unter diesem Typ Aufgaben subsumiert, die durch wissenschaftliche, technische oder internationale Vorgaben bestimmt sind und weniger Spielraum für die politische Gestaltung aufweisen. Gemeinsam ist allen Aufgaben, dass sie kaum hoheitlich sind und nicht ausgeprägt mit anderen Bundesaufgaben koordiniert werden müssen; hingegen ist eine gewisse Eigenständigkeit von Vorteil. Eine engere politische Steuerung ist indes unerlässlich. Da die Aufgaben aber kaum hoheitlich sind und eine gewisse Eigenständigkeit erfolgsrelevant ist, eignen sie sich grundsätzlich für eine Auslagerung.
- Die Dienstleistungen am Markt werden durch den Markt gesteuert, wobei ein Mindestversorgungsgrad, der das öffentliche Interesse hauptsächlich begründet, gewährleistet wird. Dabei soll dem öffentlichem Interesse im Regelfall über gesetzliche Vorgaben zur Grundversorgung Rechnung getragen werden (z.B. bei Postdienstleistungen). Dienstleistungen am Markt sind für die Auslagerung prädestiniert, da der Erbringer für eine erfolgreiche Positionierung im Markt weitgehende Autonomie benötigt.
- Die Aufgaben der Wirtschafts- und Sicherheitsaufsicht sind zwar hoheitlicher Natur, müssen aber – ähnlich zur Rechtsprechung – der politischen Einflussnahme im operativen Geschäft entzogen sein. Die Auslagerung ist hier geboten, um die Unabhängigkeit der Aufsichtstätigkeit sicherzustellen (z.B. Finanzmarktaufsicht, Aufsicht über Kernkraftanlagen).
Zur Auslagerung sind Aufgaben des zweiten bis vierten Typs geeignet. Dabei läuft die Aufgabentypologie nicht auf eine Auslagerungsstrategie hinaus. Sie ist vielmehr zu verstehen als
- Orientierungshilfe bei Auslagerungsentscheiden, indem sie anhand sachlicher Kriterien aufzeigt, welche Aufgaben sich zur Auslagerung eignen und welche nicht;
- Anknüpfungspunkt für die Steuerung der Organisationen und Unternehmungen des Bundes, die solche Aufgaben erfüllen.
2 Steuerungsmodell und Leitsätze
Im Corporate-Governance-Bericht vom 13. September 2006 und im Zusatzbericht vom 25. März 2009 stellte der Bundesrat insgesamt 37 Leitsätze auf, die bei der Ausgestaltung, Steuerung und Kontrolle von verselbständigten Einheiten des Bundes als Richtlinien berücksichtigt werden sollen. Mit Beschluss vom 26. Juni 2019 hat er den Leitsatz 6 ergänzt (4. und 5. Satz). Die Leitsätze haben zwar keine Rechtsverbindlichkeit, Abweichungen sind indes zu begründen („Comply or explain“-Prinzip). Anwendung finden die Leitsätze primär auf Anstalten. Bei (privatrechtlichen) Aktiengesellschaften werden die Leitsätze teilweise bereits durch das Aktienrecht abgedeckt. Durch die Zusammenführung dieser Leitsätze mit den zur Auslagerung geeigneten Aufgabentypen entsteht das spezifische Steuerungsmodell für Organisationen und Unternehmen des Bundes.
Bei ausgelagerten Leistungen übt der Bund seinen Einfluss auf die Aufgabenerfüllung einerseits als Gewährleister der Aufgabenerfüllung aus, anderseits als Eigner des Unternehmens. Dabei kann er Eigentümer, Haupt- oder Mehrheitsaktionär sein. Sein Einfluss als Eigner hängt zu einem bedeutenden Teil von der rechtlichen Konzeption des Unternehmens ab. In der Folge des CG-Berichts hat die EFV deshalb unter Berücksichtigung der Leitsätze ein Muster eines Organisationserlasses für Anstalten entwickelt, das bei neuen Auslagerungen sowie bei der Anpassung bestehender Organisationsgesetze als Standard dienen soll.
Die strategischen Ziele für die verselbständigten Einheiten sind ein weiteres zentrales Instrument in der Eignerpolitik des Bundes. Der Bundesrat verabschiedet im Regelfall alle vier Jahre strategische Ziele für jede verselbständigte Einheit; einzig bei den Einheiten der Wirtschafts- und Sicherheitsaufsicht werden die strategischen Ziele im Regelfall vom Aufsichtsorgan – nicht vom Bundesrat – verabschiedet. Den strategischen Zielen kommen drei ineinandergreifende Funktionen zu:
- Sie sind das übergeordnete Instrument zur dynamischen Steuerung der verselbständigten Einheiten und haben zum Zweck, die gesetzlichen Vorgaben periodisch bezüglich der von den verselbständigten Einheiten zu erreichenden Ziele und zu erfüllenden Aufgaben zu konkretisieren.
- Sie sind Grundlage und Referenz für die Berichterstattung und bilden zusammen mit derselben eine logische Einheit (Soll-Ist) in den Steuerkreisen zwischen Aufsichtsorgan der verselbständigten Einheit und Bundesrat einerseits sowie zwischen Bundesrat und Parlament andererseits.
- Sie dienen dem Parlament somit als Ansatzpunkt für die Oberaufsicht und Mitwirkung, die u.a. vorsieht, dass das Parlament den Bundesrat beauftragen kann, strategische Ziele zu erlassen oder abzuändern.
Im Sinne einer grösseren Vereinheitlichung hat die EFV auch für die strategischen Ziele eine Mustervorlage geschaffen, die den Departementen als Werkzeugkasten für die Erstellung und Anpassung der strategischen Ziele für die verselbständigten Einheiten dient.
3 Rollenverteilung / Zuständigkeiten
Akteure der Eignerpolitik des Bundes sind insbesondere Parlament, Bundesrat und Bundesverwaltung (Generalsekretariate / Fachämter / Eidgenössische Finanzverwaltung EFV). Gegenüber den Unternehmen des Bundes tritt der Bundesrat grundsätzlich als Eigner auf, das Parlament übt die Oberaufsicht aus.
Die verwaltungsinterne Zuständigkeit für die Vorbereitung und Koordination der eignerpolitischen Geschäfte hängt von der Bedeutung des Unternehmens ab: Gemeinsam nehmen Fachdepartement und EFV diese Verantwortung wahr bezüglich Unternehmen mit Dienstleistungen am Markt sowie bezüglich Organisationen, die Dienstleistungen mit Monopolcharakter erbringen und auf namhafte Subventionen angewiesen sind. Allein nimmt das Fachdepartement diese Verantwortung wahr gegenüber den übrigen Organisationen, die Dienstleistungen mit Monopolcharakter erbringen, sowie gegenüber den Einheiten mit Aufgaben der Wirtschafts- und der Sicherheitsaufsicht.
4 Dokumente
Berichte und Grundlagen
Instrumente